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Bilanz der Krise mit positivem Ausblick

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Bilanz der Krise mit positivem Ausblick
Eine fundierte Gesprächsrunde / Foto: TIC

Steigende Buchungszahlen geben der Reisebranche Grund zum Optimismus. Das ist das Ergebnis eines Experten-Panels, das die Bilanz der Krise auf Einladung des Travel Industry Club diskutierte.

Ulf Sonntag, Institute for Tourism Research in Northern Europe: „Laut der 52. Reiseanalye gab es schon im Vorjahr erste Zeichen der Erholung. Die Zahl der Urlaubsreisen stieg wieder auf 55,1 Millionen, nachdem sie von 70,8 Millionen im Jahre  2019 im Pandemiejahr 2020 auf 50,5 Millionen gefallen war.“ Der Corona-Nachholbedarf ist nicht zu übersehen, „aber mit deutlich größeren Unsicherheiten behaftet, als Anfang des Jahres erhofft“, so Sonntag, da sich die  Rahmenbedingungen geändert haben. Der Krieg in der Ukraine befördert ein höheres Sicherheitsbedürfnis und die Preissteigerungen wirken laut Sonntag „sicher nicht nachfragefördernd“.Offensichtlich haben die Lockdown-Perioden auch Einfluss auf die Urlaubsmotive genommen. Hedonistische Motive legen von den Reiseanalysen Januar 2020 zu Januar 2022 am stärksten zu. Der Wunsch „sich verwöhnen zu lassen“ stieg ebenso wie das Verlangen nach „Spaß, Freude“ um 8 Prozentpunkte. Um jeweils 7 Prozentpunkte wuchsen der Wunsch „etwas für die Gesundheit zu tun“ und das Verlangen nach „Entspannung“. Kein Weg führt die Reisebranche an der Erkenntnis vorbei, dass Urlauber der Nachhaltigkeit bei ihren Reisen einen deutlich höheren Stellenwert beimessen. „Mein Urlaub soll möglichst ökologisch verträglich, Ressourcen schonend und umweltfreundlich sein“ – dieser Aussage stimmten in der Reiseanalyse 2016 39 Prozent der Befragten zu, in diesem Jahr aber schon 47 Prozent. Und „Urlaub soll möglichst sozialverträglich sein (das heißt faire Arbeitsbedingungen und Respektieren der Bevölkerung)“ wurde von 64 Prozent unterstrichen, 2016 waren es noch 46 Prozent.

Wenn die Branche dem Wunsch ihrer Kunden nach mehr Nachhaltigkeit nachkommt, bringt ihr das auch wirtschaftliche Gewinne. „Die Branche darf nicht länger am Ast sägen, auf dem sie sitzt“, sagt dazu Markus Tressel, CEO von der Beratungsagentur Trepublica.

Timo Kotowski, Wirtschaftsredakteur der FAZ schätzt, dass in den nächsten Jahren weniger frei verfügbares Einkommen mit steigenden Reisepreisen zusammen treffen wird. Nach dem derzeitigen Stand werden die veränderten geopolitischen Bedingungen Urlauber nicht von Reisen ans Mittelmeer abhalten. Aber sie werden in der Masse auf „Sicherheitsstrategien“ zurückgreifen, auf die sie auch während der Pandemie gesetzt haben: Sie wählen mehr vertraute und nahe Ziele, die Zahl der Pkw-Anreisen könnte steigen, und der Rückgriff auf Buchungen über Reiseveranstalter gegenüber individueller Urlaubsplanung könnte wachsen.

Zur Bilanz der Pandemie gehört auch der zunehmende Fachkräftemangel, der ohnehin schon belasteten Branche. „Dies gilt natürlich auch im besonderen Maße für Hotellerie und Gastronomie“, so Rob Hormanns, CEO bei Flemings Hotels, Der Reisevertrieb steht in einem großen Transformationsprozess. Er wird durch den Einsatz effizienterer Technologie, steigendes Sicherheitsbedürfnis der Kunden und damit einhergehender intensiverer Beratung geprägt sein.

„Die Branche braucht Mut für diese Veränderungen“, sagt Tom Fecke, Geschäftsführer Europa von Sabre, „Nostalgie hilft da nicht.“ Außerdem profitiert das Geschäftsreisesegment weiterhin wenig vom wieder wachsenden Reiseboom und steht vor neuen Herausforderungen: CO2-Budgets belasten es ebenso wie die Forderung der Kunden nach mehr Nachhaltigkeit und die Tatsache, dass sich hybride Meetings wohl am Markt etablieren werden.

„Die Pandemie und ihre massiven Auswirkungen auf die Reiseindustrie hat gezeigt, dass die Geschäftsmodelle in allen Wertschöpfungsstufen künftig deutlich größere Flexibilität und Resilienz aufweisen müssen“, zieht Tourismus-Professor Dr. Adrian von Dörnberg Bilanz. Das betrifft auch das Verhältnis zur Politik: „Damit die Politik die Branche hört, bevor ordnungspolitische Eingriffe erfolgen, muss eine deutlich stärkere Koordination der Politikberatung und -vertretung erfolgen.“ One Voice sollte das Motto sein.

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